Ich darf im Folgenden einmal Wikipedia zitieren:
„Das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz ist Teil des im März 2020 erlassenen Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht, mit dem den wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in Deutschland begegnet werden soll.
Ziel des COVInsAG ist es, die Fortführung von Gesellschaften zu ermöglichen, die durch die COVID-19-Pandemie in eine finanzielle Schieflage geraten sind und ohne dieses Gesetz insolvent wären.“ (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – Abfrage vom 07.06.2020)
Welche wesentlichen Eckpunkte hieraus bzgl. der Insolvenzantragspflichten von Kapitalgesellschaften gelten, erfahren Sie im folgenden Beitrag.
Insolvenzantragsgründe Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit
Nach § 15a InsO ist der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft verpflichtet, bei Eintritt der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft unverzüglich – spätestens 3 Wochen nach Eintritt der Überschuldung oder der Zahlungsunfähigkeit – , den Insolvenzantrag zu stellen.
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Diese Verpflichtung wird jetzt mit § 1 des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes bis zum 30.09.2020 ausgesetzt.
Dies klingt zunächst einmal uneingeschränkt positiv. Es suggeriert, dass auch strafrechtliche Fragestellungen damit zunächst vom Tisch wären.
Dem ist aber nicht so.
Sofern die Insolvenzreife nicht aus den Folgen der Corona-Pandemie resultiert oder aber keine Aussicht besteht, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, gilt die Aussetzung der Antragspflicht nicht.
Unser Haus hatte mehrere Anfragen, bei denen die Unternehmen ihrer die aktuellen Probleme ausschließlich auf die Corona-Pandemie formal zurückführten. Bereits im Erstgespräch wurde deutlich, dass die aktuelle Situation „lediglich“ das Fass zum Überlaufen brachte.
Die Probleme waren uralt.
Dies betrifft eine mögliche Insolvenzantragspflicht genauso wie die kurzzeitig so populäre „BAFA“-Förderung für „Corona-betroffene“ Unternehmen.
Tipp: Dokumentation der Corona-Auswirkungen auf Ihr Unternehmen
Sollten sich die juristischen Vertreter einer Kapitalgesellschaft aber auf das COVID-Gesetz berufen, folgender Tipp: Dokumentieren Sie ausführlich, in welcher Form Ihr Unternehmen durch Corona betroffen ist, beispielsweise durch
- behördliche Auflagen, die zur Einstellung/Einschränkung des Geschäftsbetriebes führen,
- Kaufzurückhaltung/ Bonitätsprobleme/Ausfällen auf der Abnehmerseite, oder
- ablauforganisatorische Einschränkungen/Probleme, beispielsweise bezogen auf die Belegschaft.
Sollte sich vor Ablauf der Aussetzungsfrist wieder alles normalisieren und die Insolvenzgefahr vom Tisch sein, haben sich zwangsläufig viele potenzielle Fallstricke von selbst erledigt.
Was kann passieren, wenn später doch Insolvenz angemeldet werden muss?
Sollte aber die Insolvenz zu einem späteren Zeitpunkt trotzdem unabdingbar sein, besteht ein nicht zu unterschätzendes Risiko einer straf-, aber auch zivilrechtlichen Haftung der gesetzlichen Vertreter der Kapitalgesellschaft, denn:
Insolvenzverwalter werden vermutlich versuchen, die seitens der Geschäftsführung vorgetragenen, Corona-bedingten Gründe infrage zu stellen.
Ein Ziel wäre sicherlich, dadurch bei GmbHs für den Geschäftsführer über § 64 GmbH-Gesetz eine Durchgriffshaftung für in das Privatvermögen zu erzielen. Anders ausgedrückt: Die Haftung für Zahlung nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nach § 64 GmbH-Gesetz trifft den Geschäftsführer nur dann nicht, wenn aufgrund der Corona-Pandemie zeitlich begrenzt keine Insolvenz angemeldet werden muss.
Dokumentation größerer Ausgaben
Sinnvoll erscheint es aber, dass im durch das Gesetz betroffenen Zeitraum vom 01.03. bis 30.09.2020 bei größeren Ausgaben dokumentiert wird, dass die Zahlung zur Umsetzung eines Sanierungskonzeptes oder aber zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes notwendig war. Optimal sollte dies durch einen externen Dritten (Steuerbüro, Unternehmensberater) bestätigt werden.
Insolvenzantragspflicht – Trotz Corona
Wie bereits erläutert, besteht die Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit dann weiter, wenn – trotz Corona – „keine Aussicht darauf besteht, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.“
„Stichtag“ 31.12.2019
Sofern der Schuldner am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig war, so gilt die Vermutung, dass eine später eintretende Insolvenzreife auf die Auswirkung der Corona-Pandemie zurückzuführen ist.
Dass der Termin auf den 31.12.2019 gelegt wurde, dürfte in der Praxis ein deutlicher Vorteil für die Geschäftsführung sein. Dies betrifft beispielsweise die im mittelständischen Unternehmen oftmals bestehenden Unsicherheiten bei der unterjährigen Buchführung. Unser Tipp: Lassen Sie sich vom Bilanzersteller bestätigen, dass auf Basis der Daten am 31.12.2019 keine Insolvenzantragspflicht bestand.
Betrifft das Gesetzt auch Insolvenzanträge, die von Gläubigern gestellt werden?
Das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz betrifft auch Insolvenzanträge, die von Gläubigern gestellt werden können. Das Gesetz regelt, dass Insolvenzanträge von Gläubigern im Zeitraum vom 28.03.2020 bis 28.06.2020 nur dann gestellt werden dürfen, wenn nach § 3 dieser Eröffnungsgrund vor dem 01.03.2020 vorlag.
Für die Gläubiger dürfte es nur schwer zu beweisen sein, ob tatsächlich ein Eröffnungsgrund bereits vor dem 01.03.2020 vorlag.
Verlängerungsoption
Das Gesetz sieht zudem mit § 4 vor, dass durch Rechtsverordnung vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz die Frist max. bis zum 31.03.2021 verlängert werden kann. Es ist sehr gut vorstellbar, dass diese Optionen vom Ministerium auch „gezogen“ werden.
Fazit: Festzuhalten ist, dass mit dem COVID-19-Pandemie-Gesetz die Insolvenzantragspflicht befristet zunächst bis zum 30.09.2020 ausgesetzt wird, sofern diese ausschließlich auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruht.
Als „großzügig“ sind die Regelungen zu betrachten, nach der dies vermutet werden kann, wenn zum 31.12.2019 keine Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung bestand. Dies sollte durch einen externen Dritten bestätigt werden. Hinzuweisen ist aber auch darauf, dass diese gesetzliche Regelung kein Freibrief für den Geschäftsführer einer GmbH bzw. Kapitalgesellschaft darstellt.
Festzuhalten ist, dass die Regelungen eigentlich nur dann greifen, wenn die wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausschließlich aus der Corona-Pandemie resultieren. Dies dürfte aber – so ist zu vermuten – nicht auf alle Unternehmen zutreffen.