In dem heutigen Beitrag möchten wir uns wieder, meine sehr geehrten Damen und Herren, einem klassischen Thema der Betriebswirtschaftslehre widmen, welches insbesondere für die Beurteilung der Kapitaldienstfähigkeit eines Unternehmens Bedeutung hat: Die Betrachtung des Working-Capital.
Was genau ist das Working-Capital?
Die wörtliche Übersetzung von Working-Capital als arbeitendes Kapital ist nur bedingt hilfreich. Vereinfacht ist das Working-Capital nichts anderes als die Differenz zwischen dem kurzfristigen Vermögen eines Unternehmens sowie den kurzfristigen Verbindlichkeiten. Lassen Sie uns im Folgenden einmal kurz beleuchten, woraus sich im Wesentlichen bei Unternehmen sich das Umlaufvermögen bzw. die kurzfristigen Verbindlichkeiten zusammensetzen.
Kommen wir zunächst zum Umlaufvermögen: Das Umlaufvermögen bei den meisten Unternehmen durch die Positionen Forderungen, d. h. Debitoren sowie dem Vorratsbestand geprägt. Natürlich gilt hier (wie so oft) auch, sich die Frage nach dem Geschäftsmodell und der Branchenzugehörigkeit eines Unternehmens zu stellen. Produktionsunternehmen beispielsweise, die komplexe Projekte und Maschinen herstellen und diese dann hauptsächlich an gewerbliche Kunden veräußern, haben zwangsläufig einen hohen Vorratsbestand an Rohstoffen, unfertigen und fertigen Arbeiten sowie Debitoren. Gänzlich anders sieht es beispielsweise mit Online-Händlern aus, die über keinen eigenen Warenbestand verfügen, sondern die Waren just in time erst bei Verkauf selber beziehen. Wenn diese dann auch noch ihre Waren ausschließlich per Vorkasse verkaufen, dann besteht das Umlaufvermögen praktisch nur aus liquiden Mitteln.
Lassen Sie uns im Rahmen einer pragmatischen Betrachtungsweise auch noch einmal über das kurzfristige Fremdkapital in einem Unternehmen sprechen.
Bei dem überwiegenden Teil der mittelständischen Unternehmen setzt sich dies primär aus den Komponenten Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen (Kreditoren), kurzfristige Bankverbindlichkeiten (primär Kontokorrentinanspruchnahme) sowie – je nach Branche – erhaltene Anzahlungen zusammen.
Interpretation des Working-Capital
Wie bereits ausgeführt stellt das Working-Capital lediglich die Differenz zwischen dem kurzfristigen Umlaufvermögen und dem kurzfristigen Fremdkapital dar. Lassen Sie uns kurz auf folgende zwei Szenarien eingehen:
Nehmen wir zunächst einmal an, dass sich ein positives Working-Capital ergibt. Dies bedeutet zwangsläufig, dass das kurzfristige Vermögen größer als die kurzfristigen Verbindlichkeiten ist. Auf der einen Seite bedeutet dies, dass – bei einer Liquidierung des kurzfristigen Vermögens – durch ein Unternehmen so viel Kapital freigesetzt werden könnte, um damit nicht nur die kurzfristigen Verbindlichkeiten zu bedienen. Es blieb sogar ein Überschuss übrig. Dies wäre die positive Interpretation eines positiven Working-Capital. Wenn Sie sich aber auf einen anderen Standpunkt stellen, dann bedeutet ein positives Working-Capital auch eine erhöhte Kapitalbindung, da dieses kurzfristige Vermögen nicht durch kurzfristiges Fremdkapital zunächst gegenfinanziert werden kann. Je höher unter diesem Aspekt sich das Working-Capital entwickelt, desto höher ist zwangsläufig dann auch der Finanzbedarf des Unternehmens. Einmal mehr gilt: Je nach Sicht des Betrachters kann ein positives Working-Capital positiv, aber auch negativ beurteilt werden.
Zwangsläufig bedeutet ein negatives Working-Capital, dass die kurzfristigen Verbindlichkeiten höher sind als das kurzfristige Vermögen.
Bei einer Liquidation des Unternehmens würde dies zwangsläufig bedeuten, dass die aus dem kurzfristigen Vermögen generierbaren Liquiditätsbeiträge nicht ausreichen, die bestehenden kurzfristigen Schulden zu decken. Die sich rechnerisch ergebende Unterdeckung müsste dann beispielsweise durch einen Verkauf anderer Aktiva aufgefangen werden. Diesem sicherlich negativen Tatbestand steht aber auf der anderen Seite gegenüber, dass zunächst durch eine erhöhte Verschuldung des Unternehmens eine vergleichsweise komfortable Liquiditätssituation durch erhöhtes kurzfristiges Fremdkapital erreicht werden konnte. Der „Knalleffekt“ auf die Liquiditätssituation kommt dann ggf. noch in der weiteren Zukunft.
Im nächsten Beitrag erfahren Sie, warum Sie das Working-Capital bei der Beurteilung der Kapitaldienstfähigkeit eines Unternehmens mitberücksichtigen sollten.