Schön, dass Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, heute wieder mit dabei sind.
Im letzten Beitrag haben wir uns über die betriebswirtschaftliche Aussagekraft des Working-Capitals bereits „unterhalten“. Einmal mehr galt, dass jede Medaille bekanntlich zwei Seiten hat. So ist ein positives Working-Capital zwar einerseits so zu interpretieren, dass die kurzfristigen Vermögenswerte bei Liquidation eines Unternehmens mehr als ausreichen, die kurzfristigen Verbindlichkeiten zu bedienen. Andererseits bedeutet dies aber zunächst auch, dass ein nennenswerter Vorfinanzierungsbedarf besteht. Im heutigen, zweiten Beitrag möchten wir das Thema Cashflow und Kapitaldienstfähigkeit im Zusammenhang mit dem Working-Capital einmal thematisieren.
Cashflow und Kapitaldienstfähigkeit
Lassen Sie uns nun ein paar Worte zum Thema Cashflow und Kapitaldienstfähigkeit verlieren.
Der Cashflow eines Unternehmens ist zunächst nichts anderes als die Addition des erzielten Ergebnisses zzgl. der Abschreibung. Er spiegelt folglich den Ertrag eines Unternehmens vor Abschreibung wider. Eine gute Ertragslage und damit ein guter Cashflow ist aber nicht zwingend ein Garant für eine gute Liquiditätslage. Ob ein Unternehmen beispielsweise seine Waren direkt gegen Bareinnahme oder gegen ein langes Zahlungsziel verkauft, ist für die Betrachtung der Ertragslage und damit für den Cashflow völlig irrelevant. Gänzlich anders sieht es natürlich aus, wenn die Liquiditätslage in beiden Szenarien betrachtet wird.
Genau hier liegt einer der Knackpunkte der Kapitaldienstfähigkeitsberechnung. Bei der Kapitaldienstfähigkeitsberechnung steht im Mittelpunkt die Frage, inwieweit der Cashflow ausreichend hoch ist, um Ausschüttung, angemessene Reinvestition und vor allem den Kapitaldienst zu erwirtschaften. Rechnerisch wird eine Kapitaldienstfähigkeit eines Unternehmens dann bejaht, wenn nach Abzug der o. a. Komponenten ein positiver Rest-Cashflow verbleibt.
Ahnen Sie, bei welchen Zahlenrädern es hier und da schon einmal ordentlich knirscht?
Wie bereits ausgeführt, stellt der Cashflow eine Indikation der Ertragslage vor Abschreibung dar. Die dort in Abzug gebrachten Positionen, wie Ausschüttung, EE-Steuern, Reinvestitionen und der Kapitaldienst sind aber „harte“ Cash-Auszahlungen, die auch bezahlt werden müssen. Die Kapitaldienstfähigkeitsberechnung vermischt damit Komponenten der Ertragskraft mit Cash-Auszahlungen. Sollte nun der erzielte Cashflow nicht nur ein Ertragsindikator, sondern auch je nach Geschäftsmodell und Veränderungen in den einzelnen Perioden ein spiegelbildlicher Cash-Indikator sein, dann ist alles in Butter. Dem Unternehmen stehen dann tatsächlich bei einer positiven Berechnung der KDF mehr Einnahmen als Auszahlungen in der Periode gegenüber, so dass der Kapitaldienst getragen werden kann.
Sie ahnen es: Richtig blöd wird es dann, wenn der als gedanklicher Zufluss angesetzte Cashflow aber nicht zufließt.
Bedeutung des Working-Capital für die Beurteilung der Kapitaldienstfähigkeit
Genau an diesem Punkt bekommt nun die Working-Capital-Analyse eine hohe Bedeutung. Sie visualisiert bei einer zukunftsorientieren Betrachtung sehr deutlich, ob nennenswerte Liquiditätsveränderungen zu erwarten sind, die eine Kapitaldienstfähigkeit eines Unternehmens im Rahmen einer zukunftsorientierten Betrachtung doch unter Druck setzen könnten.
Lassen Sie uns dies anhand von zwei Beispielen visualisieren.
Beispiel 1:
Ein Unternehmen verlagert seinen Absatzschwerpunkt auf ein neues Kundenklientel, welches zwar bessere Margen verspricht, aber diesen höheren Margen höhere Zahlungsziele oder aber auch eine schlechtere Zahlungsmoral gegenübersteht. Sollte diese Strategie künftig ertragsseitig aufgehen, so müsste sich perspektivisch das Ergebnis und damit der Cashflow verbessern. Eine rein mechanische Berechnung der Kapitaldienstfähigkeit führt auch zu besseren Ergebnissen, da der nach Abzug des Kapitaldienstes verbleibende Restbetrag steigen wird. Doch: Wie sieht es mit der Liquiditätslage aus?
Die neue strategische Ausrichtung dürfte in unserem Beispielsfall zu einem perspektivisch steigenden Debitorenbestand und damit einem höheren Working-Capital führen. Eine Bilanzauswertung würde dann ein von Jahr zu Jahr steigendes Working-Capital ausweisen. Selbst bei einer im Trendverlauf rechnerisch besseren Kapitaldienstfähigkeit des Unternehmens würde das steigende Working-Capital klar einen erhöhten Finanzierungsbedarf aufzeigen. Eine nachhaltige Kapitaldienstfähigkeit kann nur dann bejaht werden, wenn auch eine Prognose über die künftige Entwicklung des Working-Capital gegeben wird und, bei einer weiteren Erhöhung dieses Betrages, gemeinsam mit den Finanzpartnern heute bereits überlegt wird, ob die finanziellen Ressourcen des Unternehmens ausreichen, diesen steigenden Finanzbedarf auch zu decken. Sollte dies der Fall sein und/oder der Finanzpartner gerne beispielsweise mit einem perspektivisch erhöhten Kontokorrentdienst zur Verfügung stehen, dann bleibt auch alles in Butter. Sollte sich aber für die sich ggf. perspektivisch verknappende Liquiditätslage keine Lösung finden, so wäre im schlimmsten Fall die Kapitaldienstfähigkeit eines Unternehmens zu negieren.