Die Anlagendeckung, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist eine der entscheidenden Brot- und Butterkennzahlen der Bilanzanalyse. Im letzten Beitrag haben wir einige betriebswirtschaftliche Grundlagen der Anlagendeckung vorgestellt sowie die mathematische Definition dieser Kennzahl erläutert.
An diesen Ausführungen möchten wir mit dem heutigen Beitrag anknüpfen.
Warum ist eine Anlagendeckung größer 100 % positiv zu bewerten?
Das Umlaufvermögen eines Unternehmens wird in der Regel durch die Positionen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (Debitoren) sowie Vorräte geprägt. Natürlich stellen einerseits Forderungen sowie die Vorräte kurzfristige Vermögenspositionen dar. (Denn wir wollen einmal hoffen, dass eine Rechnung, die gestellt wird, auch zeitnah bezahlt wird.)
Aber: Wenn eine Rechnung bezahlt wird, wurden hoffentlich bereits weitere Rechnungen in der Zwischenzeit gestellt. In der Summe führt dies dazu, dass ein Unternehmen normalerweise immer Debitoren haben wird und folglich ein Null-Forderungsbestand je nach Geschäftsmodell nie erreicht werden kann.
Klar: Sollte ein Unternehmen ausschließlich seine Waren gegen Bargeld verkaufen, dann existieren zwangsläufig auch keine offenen Forderungen. Genau diese Überlegung kann auch auf den Vorratsbestand angewendet werden. Selbstverständlich dreht sich der Warenbestand eines Unternehmens, denn es werden ständig Waren verkauft und neue Waren eingekauft. Auch die Höhe des Warenbestandes wird schwanken, beispielsweise dann, wenn saisonale Einkäufe notwendig sind. Wenn aber ein Going-Concern-Aspekt angenommen wird, dürfte der Zustand eines Null-Warenlagers praktisch nie erreicht werden. Selbstverständlich ist auch hier das Geschäftsmodell maßgeblich. Online-Händler beispielsweise, die ausschließlich Waren genau dann einkaufen, wenn sie zeitgleich den Verkauf realisieren, werden in aller Regel auch keinen eigenen Warenbestand ausweisen.
Festzuhalten gilt, dass sowohl bei den Debitoren als auch bei dem Warenbestand ein dauerhafter Bodensatz vorhanden ist, der folglich auch eine dauerhafte Kapitalbindung nach sich zieht. Genau dieser Bodensatz sollte nicht über kurzfristige Finanzierungsquellen, wie beispielsweise Kontokorrentinanspruchnahme oder Kreditoren, sondern über langfristige Finanzierungsquellen refinanziert werden. Bilanzen von bonitätsstarken Unternehmen zeichnen sich folglich dadurch aus, dass sie auf der Passivseite mehr langfristige Quellen der Mittelherkunft ausweisen, als sie rein zur Abdeckung des Anlagevermögens benötigen. Grundsätzlich gilt: Je längerfristig die Finanzierungsstruktur eines Unternehmens ausgerichtet ist, desto stabiler ist die Bilanz.
Was bedeutet eine Anlagendeckung kleiner 100 %?
Sollten die langfristigen Finanzierungsquellen eines Unternehmens nicht ausreichen, das Anlagevermögen rechnerisch zu finanzieren, ergibt sich eine Anlagendeckung unter 100 %.
Dieser Zustand tritt oftmals dann ein, wenn Investitionen über das Kontokorrent refinanziert werden. In der Konsequenz würde dies bedeuten, dass die Rückführung des kurzfristigen Fremdkapitals schneller erfolgt, als dass das durch Investitionen gebundene Kapital wieder freigesetzt werden kann. Die Liquiditätslage eines Unternehmens wird dadurch unnötig belastet.
Eine weitere Besonderheit ergibt sich dann, wenn ein Unternehmen nicht über ein positives, sondern ein negatives Eigenkapital verfügt. Welche Auswirkungen das auf die Anlagendeckung hat, das erfahren Sie im nächsten Beitrag.