In dem heutigen Beitrag möchten wir den Fokus auf die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in der Bilanz legen. Immer dann, wenn eine Ausgangsrechnung zum Bilanzstichtag nicht bezahlt wird, werden diese offenen Rechnungen inkl. Mehrwertsteuer als Debitoren, d. h. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, aktiviert.
Je höher der Forderungsbestand in einer Bilanz ist, desto mehr Geld fehlt einem Unternehmen und müsste folglich finanziert werden. Auch das Risiko, dass bereits gestellte und noch offene Rechnungen nicht bezahlt werden, steigen tendenziell mit zunehmenden Debitorenbestand.
Die Kennzahl Debitorenlaufzeit ist wie folgt definiert:
Die offenen Forderungen eines Unternehmens werden in Relation zu der korrespondierenden GuV-Position, d. h. den gebuchten Ausgangsrechnungen und damit dem Umsatz gestellt. Ziel dieser Kennzahl ist es, eine Aussage darüber zu erhalten, nach wie vielen Tagen rechnerisch der Geldeingang der von einem Unternehmen gestellten Rechnungen erfolgt.
Zu hohe, steigende Debitorenlaufzeiten sind folglich negativ, kurze, sinkende Debitorenlaufzeiten folglich positiv zu bewerten. Natürlich hat jede Bilanzkennzahl ihre Interpretationstücken.
Interpretationstücke 1: Stichtagsverzerrung
Viele Unternehmen nutzen die wenigen Werktage um Weihnachten herum, bereits erbrachte Leistungen der letzten Monate abzurechnen. Zwangsläufig steigt dann der offene Debitorensaldo zum Ende eines Wirtschaftsjahres.
Aufgrund der Berechnungssystematik Debitoren ÷ Umsatz erhöht sich auch die Debitorenlaufzeit. Selbst dann, wenn sämtliche Forderungen am 02.01. des Folgejahres bezahlt würden, hat dies auf die rechnerische Kennzahl zum Jahresende keinen Einfluss. Die Kennzahl suggeriert damit ein schlechtes Zahlungsverhalten der Kunden, obwohl dies dann nicht zutrifft.
Interpretationstücke 2: Auswirkung des Geschäftsmodells eines Kunden
Die Debitoren werden in Relation zu den Umsatzerlösen, d. h. gestellten und gebuchten Ausgangsrechnungen gesetzt. Diese Relation ist dann sinnvoll, wenn tatsächlich sämtliche Umsatzerlöse auch aus Rechnungen mit Zahlungsziel resultieren.
Wenn ein Unternehmen beispielsweise aufgrund seines Geschäftsmodells einen Großteil der Umsatzerlöse bar vereinnahmt, dann treffen die hinter der Kennzahl liegenden Prämissen nicht mehr zu. Betrachten wir beispielsweise eine kleine Bäckerei. Die Backwaren werden in aller Regel über den Ladentisch gegen bar oder Kartenzahlung veräußert. Offene Rechnungen und damit Debitoren dürfte eine bilanzierende Bäckerei folglich nur dann ausweisen, wenn Backwaren an Rechnungsempfänger, wie beispielsweis gewerbliche Abnehmer geliefert und fakturiert werden. Da der Baranteil einer normalen Bäckerei in aller Regel bei gut 90 % oder mehr liegen dürfte, ergibt sich zwangsläufig eine sehr geringe Debitorenlaufzeit. Für die Bilanzanalyse bedeutet dies, dass die Kennzahl Debitorenlaufzeit schlicht nicht anschlägt.
Hohe, steigende Debitorenlaufzeiten sind auffällig und in einer ersten Indikation als kritisch anzusehen. Ursächlich hierfür könnten beispielsweise eine schlechte Zahlungsmoral der Kunden aufgrund von Bonitätsproblemen, vermehrte Mängel-/Qualitätsrügen der Kunden, ein suboptimales Mahnwesen, aber auch eine hohe Marktmacht der Abnehmer sein. Nicht zu unterschätzen ist auch der folgende, negative Tatbestand.
Sollten Forderungen als uneinbringlich angesehen werden oder aber bzgl. der Werthaltigkeit der Forderung und damit des zu erwartenden Geldeinganges ernsthaft Zweifel bestehen, so ist kaufmännisch die Bildung einer Wertberichtigung vorzunehmen. Dies führt zum einen zu einer Verschlechterung der Ertragslage, da dann ein Aufwand für die Wertkorrektur der Forderung realisiert wird. Bilanziell werden diese Wertberichtungen aber vom Forderungsbestand abgezogen, was zu einem geringeren Debitorenbestand führt.
Sollte der Bodensatz an zweifelhaften Forderungen, die nicht wertberichtigt wurden, zunehmen, so erhöht sich zwangsläufig die Debitorenlaufzeit. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass hohe Debitorenlaufzeiten auch eine Indikation für nicht mehr werthaltige Forderungen sein können, die aber noch im Umlaufvermögen des Unternehmens aktiviert sind.
Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Debitorenlaufzeit ein wichtiger Indikator ist, mit der u. a. Liquiditätssituationen eines Unternehmens, aber ggf. auch ein möglicherweise in den Debitoren vorhandenes Risikopotenzial bewertet werden kann.