Schön, dass Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, heute wieder dabei sind. Im letzten Beitrag führten wir aus, was der Umlaufkapitalbedarf oder: Ihres Unternehmens darstellt und führte zudem an, dass dieser je nach Geschäftsmodell bzw. Branche zum Teil deutlich differiert. Heute möchten wir die allgemeinen Ausführungen einmal in ein konkretes Beispiel umsetzen.
Gehen wir des Weiteren davon aus, dass das Beispiel ein Handelsunternehmen darstellt.
Idealerweise sollte ein Existenzgründer bzw. eine Existenzgründerin vor Aufnahme des Geschäftsbetriebs in etwa wissen, wie hoch der Vorratsbestand sein sollte, um eine Lieferfähigkeit zu garantieren. Auch kann es nie schaden, sich über die einzuräumenden Zahlungsziele im Vorfeld klarzuwerden und auch entsprechende interne Strukturen zu schaffen, dass diese Zahlungsziele auch eingehalten werden.
Ausgangspunkt für die folgende mathematische Berechnung des Umlaufkapitalbedarfs sind die bewährten betriebswirtschaftlichen Kennzahlen Lagerdauer, Debitorenlaufzeit sowie Kreditorenlaufzeit. Wer bei der Bedeutung/Interpretation dieser Kennzahlen noch Nachholbedarf hat, dem empfehlen wir unsere Beiträge 324 – 334, in denen wir diese Kennzahlen ausführlich erläutert haben.
Ableitung des rechnerischen Debitorenbestandes
Lassen Sie uns mit dem Thema Debitoren beginnen. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass jede Rechnung, die Sie als Unternehmer stellen, auch im Zeitablauf bezahlt wird, ändert dies nichts an der Tatsache, dass Sie im Rahmen eines Going-Concern-Prozesses ständig Rechnung stellen werden, die nicht bezahlt sind. Denn: Wenn eine Rechnung bezahlt wurde, haben Sie hoffentlich in der Zwischenzeit eine neue Rechnung gestellt.
Festzustellen bleibt damit, dass immer ein Teil der Forderungen im Rahmen einer Durchschnittsbetrachtung offen ist und folglich die Liquidität hieraus fehlt. Genau diesen Umstand können wir betriebswirtschaftlich wie folgt abschätzen:
Unterstellen wir einmal, dass in Ihrer Branche im Schnitt ein Zahlungsziel von 30 Tagen gewährt wird und zudem noch ein planerischer Sicherheitsaufschlag für den Fall eingeplant werden soll, dass der Geldeingang nicht pünktlich zum Ablauf des Zahlungsziels erfolgt. Die bekannte Kennzahl Debitorenlaufzeit (Debitoren ÷ Nettoumsatz x 360 Tage) kann nun mathematisch so umgestellt werden, dass nicht die Laufzeit, sondern der Debitorenbestand errechnet werden kann.
Unter Ansatz der veranschlagten Plan-Umsatzerlöse ergibt sich die folgende Betrachtung.
Demnach würde das Unternehmen im Schnitt über einen Debitorenbestand in Höhe von 160 T€ verfügen, der liquiditätsseitig entsprechend gegenzufinanzieren wäre.
Ableitung des rechnerischen Warenbestandes
Mit der gleichen Grundlogik kann auch die Kapitalbindung im Warenlager abgeschätzt werden. Diese „Krücke“, meine sehr geehrten Damen und Herren, sollte allerdings nur dann verwendet werden, wenn es der Existenzgründerin oder dem Existenzgründer nicht auf anderem Wege möglich ist, den Ihrer Ansicht nach notwendigen Vorratsbestand abzuschätzen.
Auch die folgende Berechnung basiert auf der Ihnen bekannten Kennzahl der Lagerdauer. Diese Kennzahl sagt aus, wie viele Tage rechnerisch die Vorräte im Warenlager liegen, ehe sie in den betriebswirtschaftlichen Wertschöpfungsprozess fließen.
Analog zur Debitorenlaufzeit gilt es nun, diese Kennzahl Lagerdauer (Vorräte ÷ Materialaufwand x 360) mathematisch so umzuformen, dass als Ergebnis nicht die Lagerdauer, sondern ein durchschnittlicher Warenbestand ermittelt wird. Den Materialaufwand können wir aus der Planung übernehmen. Es bleibt nur noch kurz zu skizzieren, wie eine sinnvolle Messlatte für eine angemessene Lagerdauer je nach Branche abgeleitet werden kann. Die Lösung ist einmal wieder denkbar einfach: Orientieren Sie sich einfach an aussagekräftigen Branchenwerten. Im folgenden Beispiel wird mit einer angenommenen Lagerdauer von 50 Tagen gerechnet. Es ergibt sich die folgende Betrachtung:
Demnach würde sich ein durchschnittliches Vorratsvermögen in einer Größenordnung von 96 T€ ergeben. Auch diese Kapitalbindung gilt es gegenzufinanzieren.
Wie es mit der Berechnung unseres Beispiels weitergeht, das erfahren Sie in der nächsten Folge.