Schön, dass Sie heute wieder dabei sind. Im ersten Teil dieser spannenden Geschichte berichtete ich von einem Mandanten, der aus (auf den ersten Blick) verständlichen Gründen gemeinsam mit seinem Großkunden ein neues Unternehmen gründen wollte. Er versprach sich davon eine Festigung der Kundenbeziehung sowie eine Verdoppelung seiner Umsatzerlöse.
Wir wurden nun gebeten, dieses Vorhaben aus einer externen Sicht zu durchleuchten.
Unsere Einschätzung des geplanten Vorhabens
Nach unserer Einschätzung könnte auf Basis einer reinen Investitionsrechnung die Vorteilhaftigkeit dieses Investments zwar bejaht werden. Ein Abwägen sämtlicher Chancen und Risiken, sollte aber dazu führen, von dem Investitionsvorhaben Abstand zu nehmen.
Wir begründeten dies unter anderem damit, dass die Chancen und die Risikoverteilung zwischen den beiden Partnern zulasten unseres Mandanten asymmetrisch verteilt waren. Zudem gab es wirtschaftlich keine Notwendigkeit, innerhalb kurzer Zeit die Gesamtleistung zu verdoppeln. Die internen Strukturen unseres Mandanten waren nach unserer Einschätzung auch nicht darauf ausgelegt, einen solchen Leistungsanstieg kurzfristig zu verkraften.
Der Besprechungstermin mit unserem Mandanten
Wir vereinbarten einen Besprechungstermin, unsere Expertise und unsere Einschätzung der Geschäftsleitung zu kommunizieren.
Obwohl wir uns bereits seit vielen Jahren kannten, verlief das Gespräch sehr eisig. Aufmerksam folgte die Geschäftsleitung unseren Ausführungen, die mit dem Satz endeten: „Wir empfehlen Ihnen, von diesem Vorhaben Abstand zu nehmen.“
Genau das war der Satz, den die Geschäftsleitung nicht hören wollte. Die Mimik versteinerte sich. Das Gespräch endete mit den Worten des Geschäftsführers: „Ich habe Ihre Einschätzung vernommen. Sie entschuldigen mich, ich werde in der Produktion benötigt.“
Das war ein Rauswurf erster Klasse.
Natürlich haben wir danach unsere Aussagen nochmals reflektiert. Hätten wir anders argumentieren sollen? Uns/mir war aber völlig bewusst, dass am Ende auch die weitere Zusammenarbeit mit diesem von uns sehr wertgeschätzten Mandanten durch unsere eindeutigen und nicht dem Wunsch des Kunden entsprechende Einschätzung fraglich war.
Unsere Arbeitsweise
Für diejenigen, meine sehr verehrten Damen und Herren, die uns bisher noch nicht aus den vielen Beiträgen kennen, möchten wir an dieser Stelle kurz in wenigen Worten unsere Arbeitsweise beschreiben.
Unser Beratungsziel ist es immer, dem Mandanten eine ehrliche und offene Reflexion zu geben, wie sich die aktuelle Problemstellung/wirtschaftliche Situation aus Sicht eines externen Dritten darstellt. Ein Mehrwert unserer Beratungstätigkeit besteht folglich darin, dass wir ohne Scheuklappen, d. h. aus neutraler Sicht, eine Einschätzung abgeben. Wenn es um konkrete Entscheidungen, wie in diesem Fall, geht, versetzen wir uns immer in die Lage des Mandanten.
Wie würden wir in der konkreten Situation als Geschäftsführer unseres Mandanten mit den vorhandenen Ressourcen entscheiden?
Selbstverständlich kommunizieren wir nicht nur die Entscheidung, sondern auch die Argumentationsketten, die uns zu diesem Entschluss bewogen haben. Ob unser Mandant dann diese Entscheidung übernimmt, bleibt allein ihm überlassen.
Kommen wir nun zu unserem aktuellen Praxisfall wieder zurück. Unsere Analyse ergab, dass wir als (gedanklicher) Geschäftsführer dieses Unternehmens das Investment nicht durchführen würden.
Vielleicht ist Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, eines aufgefallen:
Wir beraten unsere Mandanten, treffen aber keine rechtsverbindlichen Entscheidungen für diese. Mit anderen Worten:
Es steht jedem Unternehmen frei, das zu entscheiden, was es für richtig hält, und zwar unabhängig von unserem Vorschlag.
Im konkreten Fall wäre es also unserem Mandanten ein Leichtes gewesen, uns „ein „doch wir machen es trotzdem“ zu übermitteln.
Die Geschäftsleitung wollte anscheinend unseren „Segen“ für das Investitionsvorhaben bekommen, aber dieser Segen kam nun nicht. Und jetzt?
Und wie ging es weiter?
Sie möchten die Auflösung erfahren, wie es in diesem Praxisfall weiterging?
Nach einigen Wochen erhielt ich eine Sprachnachricht auf meiner Mailbox. Es war der Geschäftsführer unseres Mandanten, der um Rückruf bat. Mit den berühmten gemischten Gefühlen rief ich noch am gleichen Tag zurück.
Zitat: „Herr Schaaf, ich bedanke mich für Ihren prompten Rückruf. Ich möchte Ihnen nur mitteilen, dass ich das Vorhaben nicht mehr weiterverfolgen werde.“
Das war das ganze Gespräch!
Wir haben das Unternehmen danach noch viele Jahre als betriebswirtschaftlicher Sparringspartner begleitet.