Erinnern Sie sich noch an den Leverage bzw. den Hebel? Im letzten Beitrag haben wir genau diese Kennzahl für Sie durchleuchtet. Unser Fazit war, dass ein kleinerer Hebel zwar durchaus zur Beurteilung der finanziellen Stabilität Ihres Unternehmens herangezogen werden kann. Kritisiert haben wir aber die Tatsache, dass auf diesen Hebel die Veränderung des Zinsniveaus zunächst keinen Einfluss hat.

Betrachtung des dynamischen Verschuldungsgrads
Gänzlich anders sieht es aus, wenn der dynamische Verschuldungsgrad, als Faktor berechnet wird. Aufgrund der gestiegenen Zinsaufwendungen sinkt zwangsläufig der Cashflow.
Der dynamische Verschuldungsgrad drückt letztendlich die theoretische Tilgungsdauer eines Unternehmens aus.
Die Kennzahl ergibt einen theoretischen Wert bzw. Faktor, nach wie viel Jahren ein Unternehmen rechnerisch schuldenfrei wäre, wenn der gesamte Cashflow (ohne Entnahmen, Reinvestitionspauschalen, Steuern usw.) ausschließlich zur Rückführung des Fremdkapitals verwendet würde.
Bei einem ansteigenden Zinsniveau würde sich zwangläufig der dynamische Verschuldungsgrad verschlechtern.
Die Berechnung des dynamischen Verschuldungsgrades ergibt sich wie folgt:

Der Cashflow selbst ergibt sich aus der Addition der folgenden Komponenten.

Der dynamische Verschuldungsgrad schlägt wiederum – im Gegensatz zum Leverage – bei einer Änderung des Zinsniveaus an. Dies zeigt das Beispiel deutlich.
Ein Anstieg des Zinsniveaus führt zu erhöhten Zinsaufwendungen in der GuV und damit zu einem reduzierten Cashflow. Hierdurch sinkt die theoretische Selbstfinanzierungskraft des Unternehmens, was sich dann in einem sich verschlechternden dynamischen Verschuldungsgrad niederschlägt.
Das Beispiel soll im Folgenden einmal wie folgt modifiziert werden:
Unterstellt sei wiederum ein Anstieg der durchschnittlichen Fremdkapitalzinsen um 3 Prozentpunkte. Da der Zinsdeckungsgrad nun auf Basis des EBITs berechnet wird, hat der Anstieg der absoluten Zinsen auf den EBIT selbst keinen Einfluss. Da der Zinsaufwand aber bei gleicher Verschuldung steigen würde, würde sich zwangsläufig auch der Zinsdeckungsgrad reduzieren.
Beispiel 4 wurde nun so verändert, dass bei einer deutlich reduzierten Verschuldung ein identischer Zinsaufwand im Vergleich zum Ursprungsszenario trotz eines zu verzeichnenden Zinsanstieges erzielt wird.
Die Berechnung zeigt, dass bei einer deutlich reduzierten Verschuldung auch bei einem signifikant höheren Zinsniveau ein identischer Zinsdeckungsgrad erreicht werden kann.
Hierzu müsste aber rechnerisch die Verschuldung um 43 % reduziert werden.
Für die meisten Unternehmen dürfte dies ein völlig theoretischer Wert sein, den es so nicht zu erzielen gilt.
Aufgrund der deutlich reduzierten Verschuldung ist es auch nicht verwunderlich, dass sich sowohl der Leverage
als auch der dynamische Verschuldungsgrad
in diesem Fall deutlich verbessern würde.
Fazit
Lassen Sie uns ein kurzes Fazit ziehen.
- Gerade dann, wenn mit einem konjunkturellen Abschwung oder aber mit einem steigenden Zinsniveau zu rechnen ist, dann gewinnen solche Kennzahlen stärker an Bedeutung, die Liquidität eines Unternehmens zu fokussieren. In unseren letzten drei Beiträgen haben wir den Zinsdeckungsgrad, den Leverage sowie den dynamischen Verschuldungsgrad vorgestellt.
- Insbesondere der Zinsdeckungsgrad gibt eine gute Indikation dafür, wie sensibel Ihr Unternehmen für eine künftige Verteuerung der Kapitalkosten ist.
Mit einem einfachen Beispiel haben wir zudem aufgezeigt, wie stark die Verschuldung eines Unternehmens rechnerisch reduziert werden müsste, um bei einem Anstieg der Zinskosten von 3 % einen identischen Zinsdeckungsgrad zu erhalten. Dieses Beispiel zeigte deutlich, dass eine dauerhaft geringe Verschuldung betriebswirtschaftlich nie von Nachteil sein kann.
Je geringer die Verschuldung Ihres Unternehmens ist, desto gelassener können Sie Zinsänderungen entgegensehen. Leider gilt diese Aussage auch spiegelbildlich.
- Eine betriebswirtschaftlich gute Indikation über die Angemessenheit der Verschuldung eines Unternehmens gibt der dynamische Verschuldungsgrad an. Je geringer diese theoretische Tilgungsdauer ist, desto finanzstärker ist ein Unternehmen einzuschätzen.
- Gerade die langanhaltende Niedrigzinsphase hat viele Unternehmen dazu verleitet, die Verschuldung zu erhöhen. Wenn hierdurch noch nennenswerte Produktiveffekte erzielt wurden, dann mag es durchaus eine Überlegung wert gewesen sein.
Heute sammeln viele Unternehmen die bittere Erfahrung, dass Geld auch Geld kostet. Dass ein Zinsniveau von mehr als 5 % durchaus im Langfristtrend als normal angesehen werden kann, dass wurde von vielen Unternehmen sträflich unterschätzt.
Unser Tipp:
Achten Sie stets auf eine sehr gute Liquiditätsausstattung Ihres Unternehmens bei einer moderaten Verschuldung. Cash is King! Daran sollte auch eine steueroptimierte Bilanzpolitik nichts ändern.