Wie die maximale Verschuldungskapazität ermittelt werden kann, hat Peter Schaaf in den letzten beiden Blogs ausführlich erläutert. In diesem Beitrag geht es um einen Vergleich dieses Wertes mit der aktuellen Ist-Verschuldung eines Unternehmens sowie die richtige Interpretation des „Ausschöpfungsgrades“.
Ein Vergleich mit der tatsächlichen Ist-Bankverschuldung
Richtig spannend wird es, wenn dieser rechnerische Wert mit den tatsächlichen Bankverbindlichkeiten des Unternehmens verglichen wird.
Es ergibt sich folgender Quotient:
Tatsächliche Bilanzverschuldung zum Bilanzstichtag * 100 |
maximale Verschuldungskapazität |
Lassen Sie uns diese Prozentrelation einmal betriebswirtschaftlich interpretieren:
- Ausschöpfungsgrad < 100 %:
Die aktuelle Bankverschuldung des Unternehmens liegt unter dem rechnerischen Wert, den das Unternehmen in sieben bzw. 15 Jahren zurückführen könnte. Je kleiner der Ausschöpfungsgrad ist, desto besser ist die Relation zwischen Kapitaldienstgrenze und Bankverschuldung und desto sicherer ist die Kapitalrückführung (bzw. Tilgung) der Bankschulden.
- Ausschöpfungsgrad gleich 100 %:
Die aktuellen Bankverbindlichkeiten sind genauso hoch, wie die theoretisch mögliche Bankverschuldung, die innerhalb der angenommenen Prognosezeiträume zurückgeführt werden könnte.
- Ausschöpfungsgrad über 100 %:
Die aktuelle Bankverschuldung ist über dem maximal möglichen Wert, der sich rechnerisch innerhalb des Prognosezeitraums ergibt.
Was oftmals falsch interpretiert wird: Selbst ein Ausschöpfungsgrad über 100 % bedeutet nicht zwangsläufig, dass ein Unternehmen überschuldet ist oder seine Verbindlichkeiten nicht zurückführen kann.
Die Verschuldungskapazität und damit der Prozentwert soll lediglich eine Indikation darüber geben, wie „ambitioniert“ die aktuelle Bankverschuldung einzuschätzen ist.
Der Quotenverlauf ist mit entscheidend
Fokussieren Sie sich nicht auf den Quotienten eines Jahres, sondern vielmehr auf die Entwicklung der Prozentwerte im Trendverlauf.
- Sollten Sie kleine bzw. sinkende Koeffizienten in den letzten Jahren vorfinden, so ist dies ein gutes Zeichen. Die Relation zwischen der tatsächlichen Bankverschuldung und dem maximal möglichen Wert hat sich demnach verbessert.
- Eine Entwicklung in umgekehrter Richtung gegebenenfalls sogar noch in Kombination mit über 100 Prozent liegenden Werten sollte zum Nachdenken anregen.
- Es gilt dann, die Ursachen hierfür zu eruieren und zu bewerten.
- Sollte beispielsweise nach Kauf von mehreren hochwertigen Maschinen und entsprechenden Finanzierungen der Koeffizient steigen, weil z.B. Anlaufverluste entstanden sind, so ist der Anstieg nachvollziehbar.
- Sind Sie der festen Überzeugung, dass diese Anlaufverluste künftig wegfallen und nennenswerte Produktivitäts- und damit Ergebnisfortschritte durch einen effizienteren Produktionsdurchlauf in Kombination mit einem erhöhten Absatz erzielt werden können? Dann ist der temporäre Einbruch unkritisch.
- Sollten sich aber die erhofften Effizienzeffekte durch die Investitionen nicht einstellen und/oder Sie von einer rückläufigen Marktentwicklung ausgehen, dann besteht akuter Handlungsbedarf.
Unser Fazit:
Bei der Verschuldungskapazität handelt es sich um ein theoretisches Konstrukt, welches eine Indikation für die maximale Verschuldung eines Unternehmens liefern soll.
Dahinter steht die Überlegung, welche Bankverschuldung innerhalb eines angenommenen Plan-Horizontes maximal zurückgeführt werden soll. In den meisten Fällen erscheint uns ein Planungshorizont von fünf bis sieben Jahre als betriebswirtschaftlich angemessen.
Eine Argumentation mit längeren Horizonten (Verschuldungskapazität 15 Jahre) sollte nur bei einem hohen Immobilienvermögen als Indikation herangezogen werden.
Kritisch sind die gesetzten Prämissen in Form einer unveränderten Kapitaldienstgrenze in den nächsten X Jahren sowie dem angesetzten Diskontierungszinssatz zu sehen.
Bei den ermittelten Werten handelt sich um eine finanzmathematisch korrekte, aber doch theoretische Betrachtung, die so sicherlich nicht mit der Realität übereinstimmen wird. Diese Einschränkungen gelten aber für viele Bilanzkennzahlen.
Die Betrachtung des Ausschöpfungsgrads im Trendverlauf sollte aber bei der Analyse der wirtschaftlichen Verhältnisse beachtet werden. Sie stellt einen weiteren Baustein dar, anhand dessen die Verschuldung und damit die Kapitaldienstfähigkeit eines Unternehmens beurteilt werden kann.