Die Tatsache, dass Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch heute wieder dabei sind, zeigt uns eines deutlich: wir haben mit dem Thema Einnahmen- und Überschussrechnung Ihr Interesse geweckt. Genau das war unser Ziel.
Im letzten Beitrag haben wir bereits einige Grundlagen dieses Rechnungslegungswerkes vorgestellt. Heute möchten wir Ihnen die Funktionsweise der EÜR erklären.
Bevor wir das erläutern, bitten wir Sie zunächst einmal, sich einen Kontoauszug Ihrer Bank oder Sparkasse vorzustellen.
Wann erscheinen die Bewegungen auf Ihrem Konto?
Richtig, erst dann, wenn Sie Geld bekommen bzw. Geld ausgeben. Ihr Kontoauszug spiegelt damit ausschließlich das Einnahmeverhalten bzw. das Ausgabeverhalten wider. Genau nach dieser Logik tickt auch die Einnahmen- und Überschussrechnung.
Der Fachbegriff hierfür lautet: Zufluss- Abflussprinzip
Erst dann, wenn Ihr Unternehmen Geld vereinnahmt, d. h. Einnahmen erzielt bzw. Geld ausgibt, werden steuerlich relevante Geschäftsvorfälle erzeugt.
Natürlich wird diese Grundnorm durch einige Besonderheiten durchbrochen. So sind beispielsweise Investitionen über der GWG-Grenze keine Betriebsausgaben.
Wenn wir es einmal „flapsig“ ausdrücken: der Kontoauszug Ihres Geschäftsführungskontos stellt bereits das grobe Raster einer EÜR dar.
Steuerzahlung erst nach Geldeingang
Neben der sehr einfachen Handhabung zu den geringeren Herstellungskosten kann so ein simples Rechnungslegungswerk Vorteile haben.
Ach, was wäre das schön, wenn die von dem Unternehmen gestellten Ausgangsrechnungen direkt von allen Kunden sofort bezahlt würden? Die Realität sieht leider anders aus. Für ein bilanzierendes Unternehmen bedeutet dies aber, dass der Umsatz und damit der Gewinn zu dem Zeitpunkt realisiert wird, wenn die Rechnung gestellt bzw. gebucht wird. Auch die Umsatzsteuer wird direkt mit der Erstellung der Rechnung zum nächsten Stichtag fällig. Sollten sich die Kunden einmal wieder viel Zeit lassen, bis diese die Rechnung begleichen, hat dies negative Konsequenzen für die Liquiditätslage des Unternehmens.
Es muss vom Ergebnis die Gewerbesteuer bzw. Körperschaftsteuer bezahlen sowie die Umsatzsteuer abführen, obwohl noch gar keine Liquidität geflossen ist. Dies ist eine ziemlich „blöde“ Situation.
Wenn wir jetzt den Blick einmal in Richtung der EÜR wechseln, dann fehlt die „Kohle“ zwar auch hier, aber: Es müssen zumindest keine Steuern vorschüssig abgeführt werden. Dies ist immerhin ein kleiner Trost bei einem sonst großen Problem von betriebswirtschaftlich ungenauen Daten.
„Gewinnverzerrung“ durch die Umsatzsteuerzahllast
Ein weiterer Aspekt ist bei der Interpretation der Einnahmen-Überschussrechnung zu berücksichtigen: Die Umsatzsteuer
Unterstellen wir einmal, dass Ihr Unternehmen umsatzsteuerpflichtig ist. Unterstellen wir des Weiteren, dass Sie einen Barverkauf von 100 € zzgl. 19 % Umsatzsteuer, d. h. 119 € realisieren.
Die Gewinn- und Verlustrechnung weist in jetzt lediglich Nettoumsatz 100 € als Erlös aus. Bei der GbR dagegen würde die Bruttoeinnahmenhöhe 119 € als Einnahmen verbucht. Sie erahnen die Konsequenzen? Das dachten wir uns bereits.
Während sämtliche Position in der Gewinn- und Verlustrechnung normalerweise netto, d. h. ohne Umsatzsteuer sind, weist Ihnen die EÜR Bruttopositionen aus. Zwar werden die vereinnahmten Umsatzsteuerbeträge bzw. bezahlten Vorsteuern in eigenen Positionen separat ausgewiesen. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass der gezeigte Gewinn inklusive der Umsatzsteuerzahllast ist.
Wenn Sie jetzt als Unternehmen diese Zahllast behalten dürfen, dann wäre es ja noch egal. Dadurch aber, dass diese Zahllast in der nächsten Periode abgeführt werden muss, weisen Ihre Zahlen zunächst ein zu gutes Ergebnis aus. (Sollten Sie einmal einen sehr hohen Vorsteuerabzug haben, verhält es sich natürlich umgekehrt).
Wie ist das Ergebnis der EÜR zu interpretieren?
Festgehalten werden kann, dass die EÜR in vielen Fällen keinen betriebswirtschaftlich korrekten Gewinn ausweist.
Der Saldo ist vielmehr als Liquiditätsgröße interpretieren.
Sollte sich ein positives Ergebnis zeigen, so haben Sie schlicht mehr eingenommen als ausgegeben. Sie haben damit einen Überschuss erwirtschaftet. Dies muss aber nicht zwingend bedeuten, dass Sie in der Periode auch profitabel gewirtschaftet haben. Denn auch hier gilt: Eine gute Rentabilität muss nicht zwingend eine gute Liquidität bedeuten bzw. umgekehrt.
Spiegelbildlich verhält es sich auch, wenn Sie eine Unterdeckung in der letzten Periode erzielt haben.
Natürlich: Wenn Sie die Einnahmen- und Überschussrechnungen über mehrere Jahre vergleichen, dann nivellieren sich die Effekte wieder.
Unser Fazit: Die Einnahmen- und Überschussrechnung zeigt Ihnen lediglich die Liquiditätsströme der letzten Periode, wobei auch hier nicht sämtliche liquiditätswirksamen Positionen enthalten sind. Sie stellt damit eine Liquiditätsindikator dar.
Wenn Sie ein kleines Unternehmen mit kurzen Produktionsprozessen, wenig Vorräten sind und ausschließlich Bareinnahmen bzw. -ausgaben erzielen, dann passt diese Vereinfachungsrechnung gut. Das ausgewiesene Ergebnis spielt dann tatsächlich recht gut auch den Erfolg Ihres Unternehmens der letzten Periode wieder.
Je stärker sie aber von diesen Prämissen abweichen, weil Sie beispielsweise mehrere Monate eine Leistung erstellen, die Sie erst zeitversetzt abrechnen können, dann führt Sie dieses Rechnungslegungswerk in die Irre. Die EÜR ist dann betriebswirtschaftlich schlicht das falsche Medium, auch wenn es steuerrechtlich zulässig ist.
Unser Tipp: Fragen Sie dann einmal bei Ihrer steuerlichen Begleitung nach, ob nicht Ihr Unternehmen unterjährig wie ein bilanzierendes Unternehmen gebucht werden kann. So hätten sie die volle Transparenz eines Vollkaufmanns des HGB. Mit wenig Aufwand kann dann am Jahresende rein für steuerliche Zwecke, die EÜR aus dem Datenmaterial abgeleitet werden.
Auf diese Weise hätten Sie zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen. Das bereitet doch Freude, oder?