Erst gestern, meine sehr geehrten Damen und Herren, habe ich ein Online-Coaching mit dem geschäftsführenden Gesellschafter eines mittelständischen Unternehmens durchgeführt. Voller Stolz wurde berichtet, wie sich das Unternehmen von einem „Ein-Personen-Betrieb“ zu seiner heutigen Größe entwickelt hat.
Der grafische Verlauf der Umsatzerlöse war beeindruckend. Doch: Ist Umsatz alles?
Wohl kaum.
Die Betrachtung der Ergebnisse zeigte, dass das sich anfänglich auch die (angebliche) Ertragssituation des Unternehmens nahezu parallel zur Expansion der Gesamtleistung bewegte.
Im letzten Jahr war deutlicher Ergebniseinbruch festzustellen. Wir diskutierten über dies und das und schließlich wurde uns mitgeteilt, dass das Unternehmen bis vorletzten Jahr als Einzelfirma nicht bilanzierte und erst danach aufgrund der zwischenzeitlich erreichten Einnahmenhöhe und der damit verbundenen Bilanzierungspflicht ein Jahresabschluss erstellt wurde.
Diese wichtige Information wurde „so im Nebensatz“ erwähnt. Es hätte aber ein „Hauptsatz“ werden sollen….
Damit war eines schon einmal gewiss: der Umsatz und der Ergebnisverlauf, den die Grafiken des Unternehmens uns zeigten, waren betriebswirtschaftlich nicht aussagefähig.
Was sagt die EÜR betriebswirtschaftlich aus?
In den ersten Jahren wurden lediglich die Einnahmen abgebildet (EÜ-Rechnung). Das Ergebnis zeigte zwangsläufig auch lediglich die Überschüsse und nicht den Gewinn. Hinzu kommt, dass von diesem Überschuss noch die „Tätigkeitsvergütung“, also die Entnahmen, sowie die Steuerlast (Einkommensteuer) bedient werden muss.
Wie ist im Gegenzug die GuV zu interpretieren?
Gänzlich anders stellt sich die Situation dar, nachdem das Unternehmen die Rechtsform der Kapitalgesellschaft gewählt hatte und spätestens jetzt bilanzierungspflichtig wurde.
Nun dürfte die Grafik, die uns vom Unternehmen eingeblendet wurde, unter der Rubrik Umsatzerlöse die fakturierten Rechnungen gezeigt haben.
Sofern die Periodenabgrenzung in der Gewinn- und Verlustrechnung korrekt durchgeführt worden ist, müsste das ausgewiesene Unternehmensergebnis die Rentabilität der GmbH nach E. E.-Steuern (Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer) sowie nach Tätigkeitsvergütung zeigen.
Es müsste so sein, aber war es im konkreten Fall wirklich so? Wie sah es denn beispielsweise mit den Bestandsveränderungen aus?
Der vom Unternehmen so erstellte Trendverlauf war für die finanzierenden Bankpartner gedacht. Die Grafik war nicht nur betriebswirtschaftlich nicht aussagefähig. Sie hätte zudem aller Voraussicht nach Irritationen bei den Finanziers ausgelöst.
Einmal mehr stellt sich die Frage, inwieweit nicht die unterschiedliche Rechnungslegungsphilosophie (Gewinn- und Verlustrechnung / versus Einnahmen-, und Überschussrechnung) mit dem Mandanten, beispielsweise seitens der steuerlichen Begleitung, besprochen worden ist.
Erneut war auch festzustellen, dass die heutige Geschäftsführung des Unternehmens sich anscheinend entweder nie tiefgreifend mit ihren Zahlen beschäftigt hatte oder aber das betriebswirtschaftliche Fundament, welches für die sichere Interpretation des eigenen Zahlenmaterials notwendig ist, in vielen Punkten wackelt.
Welche Schlussfolgerungen können aus diesem Praxisbeispiel gezogen werden?
Eine Einnahmen- und Überschussrechnung ist betriebswirtschaftlich nicht mit einer Gewinn- und Verlustrechnung vergleichbar.
Sollten Sie folglich im Rahmen eines Expansionsprozesses die Rechnungslegungsart wechseln, so empfiehlt es sich, dies bei der Erstellung von Statistiken oder Trendvergleichen entsprechend zu berücksichtigen.
Eine sichere Interpretation des Zahlenwerkes ist zur Steuerung eines Unternehmens unabdingbar.
Fragen hilft, so die altbekannte Devise. „Löschern“ Sie die begleitenden Partner Ihres Unternehmens (Hausbank sowie steuerlichen Begleitung so lange und so oft, bis Sie sicher Ihr eigenes Zahlenmaterial interpretieren können.
Wenn Ihre Partner dies nicht können oder nicht wollen, dann sollten Sie einmal die Frage nach der richtigen Partnerwahl stellen?
Ach ja: Die Hotline für spezielle Anliegen lautet 02208/921655.