Die richtige Interpretation von Jahresabschlüssen ist gar nicht mal so einfach. Die Praktiker*innen unter Ihnen werden dies bestätigen. Im letzten Beitrag haben wir bereits zwei Aspekte erläutert, wohin der „schnelle“ Blick als Erstindikation bei der Liquiditätsbeurteilung wandern sollte: Höhe der liquiden Mittel sowie Cash-Reichweite.
Weitere Tipps erfahren Sie in diesem Artikel.
- Ausschöpfungsgrad der Kontokorrentlinie
Ziel dieser Kennzahl ist es, die prozentuale Auslastung der Kontokorrentlinie zu ermitteln. Die Definition hierzu lautet:
Je höher der Prozentsatz ist, desto geringer ist der Liquiditätsspielraum eines Unternehmens.
Der Pferdefuß an der ganzen Sache: Die Höhe der Kontokorrentinanspruchnahme können Sie aus dem Jahresabschluss entnehmen. Die Höhe der von den Hausbanken eingeräumten Kontokorrentlinien aber nicht. Wenn beispielsweise aus dem Anhang hieraus keine weiteren Informationen hervorgehen, dann ist eine solche Kennzahl schlicht nicht berechenbar.
- Bankkapitalverzinsung
Diese Kennzahl hat den besonderen Charme, dass eine Stichtagsgröße (kurzfristige Bankverschuldung) mit einer Periodengröße (kurzfristiger Zinsaufwand) verglichen wird.
Die Kennzahl ist wie folgt definiert
Lassen Sie uns diese Kennzahl anhand eines kleinen praktischen Beispiels einmal berechnen.
Nehmen wir einmal an, dass sich die kurzfristigen Bankverbindlichkeiten auf 113 T€ belaufen. Die GuV weist kurzfristige Zinsaufwendungen von 19 T€ aus.
Es ergibt sich nun die folgende Berechnung:
Welche Rückschlüsse können nun hieraus gezogen werden?
Rückschluss 1: Dass sich ein so hoher Zinssatz ergibt, kann mit einer normalen Zinskondition der Hausbank nichts mehr zu tun haben kann. Dies deutet auf Überziehungen und damit Liquiditätsenge hin.
Rückschluss 2: Der Saldo der Kontokorrentinanspruchnahme am Stichtag war (zu) niedrig. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Kontokorrentinanspruchnahme im Gesamtjahr höher gewesen sein müsste. Dies kann auch ein Indiz dafür sein, dass auch die Liquiditätslage zum Bilanzstichtag optimistisch dargestellt ist.
Diese Kennzahl lässt sich auch hervorragend dafür einsetzen, um bei einem angenommenen durchschnittlichen KK-Zins auch eine durchschnittliche Kontokorrentverschuldung zu berechnen. Im konkreten Fall wäre folgende Berechnung zielführend:
Dieser Wert visualisiert schonungslos die Liquiditätslage des Unternehmens bzw. gibt eine gute Indikation hierzu. Dies gilt insbesondere dann, wenn Sie diesen rechnerischen Wert mit der Ist-Kontokorrentinanspruchnahme zum Bilanzstichtag vergleichen.
In der kommenden dritten Folgen werden wir Ihnen drei weitere Indikatoren aufzeigen und zudem ein Fazit zur richtigen Interpretation der Liquidität aus Jahresabschlüssen ziehen.