Die Herausforderungen, meine sehr geehrte Damen und Herren, die von mittelständischen Unternehmen gemeistert werden müssen, können als heftig bezeichnet werden. Ein steigendes Zinsniveau, nachlassende Kaufkraft, Suche nach qualifizierten Mitarbeitenden, Energiesicherheit, Suche nach qualifizierten Fachkräften usw. sind nur einige Stichworte.
Es gilt einmal mehr, dass die starken Unternehmen oftmals mit solchen Herausforderungen besser umgehen als die Mitbewerber, die bereits in normalen Zeiten sich nur mittelmäßig am Markt behaupten konnten.
Gerade vor diesem Hintergrund rückt das Thema progressive Bilanzpolitik wieder stärker in den Vordergrund.
Bonitätsstarke Unternehmen zeichnen sich u. a. dadurch aus, dass sie über die von ihnen durchgeführten bilanzpolitischen Maßnahmen zumindest in eingeweihten Kreisen gerne Auskunft geben. Hinzu kommt, dass bilanzpolitisch weniger eine progressive, sondern mehr eine restriktive/konservative Richtung verfolgt wird.
Wie heißt es doch so schön: Die gute Bilanz und damit gute Bonität sind oftmals besser als es auf den ersten Blick aus dem Datenmaterial ersichtlich ist. Leider gilt diese Aussage auch für bonitätsschwache Unternehmen in die gegenteilige Richtung.
In einem herausfordernden wirtschaftlichen Umfeld ist es zwangsläufig nochmals schwieriger, eine gute Rentabilität zu erreichen als in normalen Verhältnissen. Wenn also bereits in einem ruhigen Fahrwasser die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens nicht befriedigen kann, dann liegt der Griff in die Trickkiste in einem schwierigen Umfeld sehr nahe.
Doch was genau wird unter dem Begriff Bilanzpolitik verstanden?
Viele subsummieren unter dem Begriff Bilanzpolitik lediglich sämtliche Maßnahmen, die die bilanzielle Situation, d. h. die Bilanzoptik eines Unternehmens, betreffen. Dies ist zumindest unser Eindruck, den wir in Gesprächen mit den Teilnehmenden unserer Seminarveranstaltungen immer wieder gewinnen können. Diese Begriffsdefinition greift aber deutlich zu kurz. Unserer Ansicht nach sollten unter dem Begriff Bilanzpolitik sämtliche Maßnahmen subsummiert werden, die zu einer bewussten optischen Gestaltung des Bilanzbildes, der Ertragslage und unter gewissen Umständen auch der Liquiditätslage eines Unternehmens führen.
In diesem Beitrag möchten wir uns insbesondere der Gestaltung der Ertragslage widmen.
Eine progressive Bilanzpolitik bedeutet hier, dass bilanzpolitische Maßnahmen bewusst eingeleitet werden, um die Ertragslage zu verbessern. Lassen Sie uns dies an einem einfachen Beispiel verdeutlichen:
Die Ausgangssituation zeigt ein Produktionsunternehmen, welches sowohl hinsichtlich der Rentabilität, aber auch der Eigenkapitalausstattung nicht befriedigen kann. Unterstellen wir nun im Folgenden, dass die Eigenkapitalsituation durch bilanzpolitische Maßnahmen verbessert werden soll.
Eine progressive Bilanzpolitik bedeutet hier, dass die Vermögenswerte des Unternehmens durch bilanzpolitische Maßnahmen erhöht werden können, während hingegen bei ausgewählten Passiva ein bewusst geringerer Wertansatz gewählt würde. Die Bandbreite, die das Handelsrecht den Unternehmen bietet, ist groß. Dies gilt insbesondere dann, wenn entsprechende Begründungen geliefert werden können. Die Qualität der Begründung reicht von einer seriösen, journalistisch hochwertigen Berichterstattung à la ZDF oder ARD bis hin zu Geschichten aus der Rubrik Märchen bzw. Fantasie.
Hieran schließt sich die Frage, welche Argumentationsketten noch in Konformität mit einer legalen Bilanzpolitik stehen und wann die Grenze zur Illegalität überschritten wurde. Die Grauzone ist riesig.
Wie sich eine progressive Bilanzpolitik nun auf unser Beispiel auswirkt, das zeigen wir Ihnen im nächsten Beitrag.