Im ersten Beitrag haben wir bereits einige Grundlagen zur Bildung und zur Bedeutung von Rückstellungen erläutert. Lassen Sie uns nun wieder auf unser Ausgangsthema Gewährleistungsrückstellungen zurückkommen.
Die Tatsache, dass Ihr Unternehmen eine Gewährleistungsverpflichtung grundsätzlich hat oder (bei einer Garantie) freiwillig einräumt, bedeutet nicht zwingend, dass diese Gewährleistungsansprüche auch zu künftigen Aufwendungen und damit Schäden führen.
Eine vereinfachte Formel
Gewährleistungsanspruch = Rückstellungen
wäre damit falsch.
Bitte stellen Sie sich ein Bauunternehmen vor, welches für jedes abgeschlossene Bauvorhaben eine Gewährleistungsverpflichtung von 5 Jahren eingehen muss. Wenn diese Gewährleistungsansprüche alle passiviert werden müssten, dann würde die Bilanz jedes Unternehmen „platzen“.
Jeder noch so qualitativ hochwertige abgeschlossene Auftrag würde zu folgendem Buchungssatz führen:
Per Aufwand an Gewährleistungsrückstellungen.
Die Aufwendungen in der Gewinn- und Verlustrechnung würden drastisch in die Höhe und das Ergebnis in den Keller „rauschen“, obwohl diesen bereits gebuchten Aufwendungen künftig vermutlich keine oder nur sehr geringe tatsächliche Mängel gegenüberstünden.
In der Bilanz müssten diese Aufwendungen als Verbindlichkeit gebucht werden. Das Bilanzbild sähe entsprechend schlecht aus.
Die Finanzbehörden akzeptieren in aller Regel ohne Nachweis eine pauschalisierte Gewährleistungsrückstellung in Höhe von 0,5 % des garantiebehafteten Umsatzes.
Was bedeutet dies nun für die gelebte Unternehmenspraxis?
Oftmals hat sich etabliert, dass die steuerlichen Begleitungen eine pauschalisierte Ermittlung des notwendigen Rückstellungsbetrages vornehmen. Im Rahmen einer Nicht-Beanstandungsgrenze wird der zu passivierende Rückstellungsbetrag als Produkt eines Prozentsatzes multipliziert mit dem garantiebehafteten Umsatz ermittelt.
Die betriebswirtschaftliche Frage ist nun: Wie gut bildet nun diese Pauschalermittlung die Realität tatsächlich ab?
Wie immer stellen wir fest, dass unter dem Fokus einer schlanken Buchhaltung zu solchen pauschalen Ermittlungen gegriffen wird.
Sollte es aber bei den bilanziellen Verhältnissen Ihres Unternehmens „enger“ oder aber die tatsächlichen Risiken höher werden, sind unserer Ansicht nach alternative Betrachtungsmethoden heranzuziehen.
Dies trifft vor allen Dingen dann zu, wenn Ihr Unternehmen größere Aufträge, Gewerke oder Maschinen produziert.
Wie immer möchten wir Ihnen auf diesem Wege einige betriebswirtschaftliche Tipps geben.
Sollten Sie ein Serienproduzent von vielen, kleineren Artikeln sein, empfiehlt sich die folgende Vorgehensweise:
- Erfassen Sie in separaten Aufwandskonten sowie in Ihrem internen Rechnungswesen die Aufwendungen, die jedes Jahr durch Gewährleistungsforderungen Ihrer Kunden tatsächlich entstehen.
Je nach Unternehmenstyp wären dies beispielsweise Rabatte, die Sie aufgrund von Mängeln gewähren, kostenlose Ersatzlieferungen, Montage-/Reparaturstunden Ihrer Mitarbeiter, externe Kosten, die zur Beseitigung der Produktmängel durch Dritte entstehen usw.
- Quantifizieren Sie jährlich den garantiebehafteten Umsatz.
Wenn Sie beispielsweise Anfang Januar Produkte im Wert von 1,0 T€ mit einer Gewährleistungsfrist von 5 Jahren ausliefern, dann wäre der gewährleistungsbehaftete Umsatz 5,0 T€.
Streng genommen ist hier eine revolvierende Betrachtung erforderlich, da für jedes Jahr alte, garantiebehaftete Rest-Umsätze auf der einen Seite den aktuellen garantiebehafteten Umsatz erhöhen, auf der anderen Seite Chargen, die Sie beispielsweise erst gegen Jahresende ausliefern, nur zum Teil in den garantiebehafteten Umsatz dieses Jahres einfließen.
Um diesen Rechenaufwand zu verkleinern, wird oftmals im Rahmen einer vereinfachten Betrachtung der aktuelle Jahresumsatz als Basis zugrunde gelegt.
- Bilden Sie nun eine prozentuelle Relation zwischen den tatsächlichen Aufwendungen eines Jahres, die durch Gewährleistungsansprüche entstehen und den garantiebehafteten Umsatz.
- Schätzen Sie zudem ab, ob diese aufgrund von historischen Daten ermittelte Quote für die Zukunft Ihrer Ansicht nach weiter angenommen werden kann oder ob Sie nicht beispielsweise von Qualitätsoptimierungen in Ihrem Hause, von einer geringeren (oder höheren) Quote ausgehen können bzw. müssen.
- Dokumentieren Sie Ihre Berechnungen und Überlegungen, die zu der Quote geführt haben, in Ihren Unterlagen.
- Ihre steuerliche Begleitung wird dann diese Quote mit den sogenannten Nicht-Beanstandungsquoten vergleichen, die seitens der Finanzbehörden ohne Weiteres anerkannt werden.
Gerade wenn Ihre Quoten deutlich über den seitens der Finanzbehörden pauschal anerkannten Werten liegen, kann es zu Diskussionsbedarf führen. Je besser Sie dann eine Argumentationskette vorweisen können, warum Sie von einem höheren Prozentsatz ausgehen, je höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie diese höhere Quote auch anerkannt bekommen.
Natürlich sollte es betriebswirtschaftlich Ihr Ziel sein, eine hohe Kundenzufriedenheit und damit eine geringe Mängelquote zu erreichen.
Ihnen haben unsere Tipps gefallen, aber Sie sind nicht Serienproduzent?
Null Problemo, würde Alf sagen (falls Sie dieses „Kuscheltier“ aus dem Fernsehen noch kennen sollten).
Weitere Tipps, wie Sie aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive Gewährleistungsrückstellungen als Auftragsfertiger ermitteln können, können Sie gerne im nächsten Beitrag lesen.