Kennen Sie noch die „schönen alten Zeiten“, in denen Sie Ihr Geld zur Bank brachten und dafür ordentlichen Zinsen erhalten haben? Das war schön…..
Eines der bestimmenden Themen in der Finanzwelt der letzten Jahre waren die immer weiter sinkenden Zinsen. Begriffe wie „Null-Zinspolitik“, „Negativzinsen“ oder „Strafzinsen“ geistern durch die Medien. Dabei wurde der ehemalige EZB-Chef Mario Draghi sogar schon als „Graf Draghila“ tituliert; eine Anspielung auf den blutsaugenden Grafen Dracula.
Doch diesmal geht es nicht um Blut. Es geht um Zinsen.
Während Draghis achtjähriger Amtszeit von November 2011 bis Oktober 2018 sank der Leitzins der EZB von 1,5% in vielen kleinen Schritten auf 0%. Draghis Amtszeit war die erste eines EZB-Präsidenten ohne eine einzige Zinserhöhung.
Doch was genau hat dies zu bedeuten?
Welche Konsequenzen haben sich aus dieser Entwicklung für die Bürgerinnen und Bürger hier in Deutschland ergeben?
Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, bedarf es womöglich einiger weniger einführenden Worte:
Der zentrale Refinanzierungssatz der EZB, welcher oft als Leitzins deklariert wird, bestimmt, zu welchem Prozentsatz sich Banken bei der Europäischen Zentralbank Geld leihen, sich also refinanzieren können. Dieser „Hauptrefinanzierungssatz“ wird monatlich überprüft.
Er ist als wichtiges, geldpolitisches Mittel der EZB zu verstehen, mit dem insbesondere auch die Zinsen für Bankkunden beeinflusst werden.
Senkt die EZB den Zinssatz, können sich Kreditinstitute in der Regel günstiger refinanzieren. Zinssenkungen werden an die Kunden weitergegeben. Die Folge: Unternehmen und Privatleute nehmen Kredite zu besseren Konditionen auf. Erhöht die EZB den Leitzins hingegen, steigen auch die Zinsen für Kredite.
Doch nicht nur die Kreditzinsen werden durch die Zinsentscheidungen der EZB gelenkt. Auch die Zinsen der Sparer werden durch die EZB beeinflusst.
So haben sich durch die vorgenannten Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank während der Amtszeit von Mario Draghi auch die Zinssätze für Spareinlagen drastisch reduziert. Im Jahr 2019 erhalten Sparer für ihr Erspartes so gut wie keine Zinsen mehr.
Die Kombination von „billigen“ Krediten und mangelnder Attraktivität von Geldanlagen soll dazu führen, dass Investitionen von Unternehmen forciert und Gelder nicht gespart sondern im Wirtschaftskreislauf ausgegeben d.h. konsumiert werden. Diesen Effekt soll die Grafik visualisieren.
Aber: Es gibt auch negative Konsequenzen, die uns im Zeitablauf „teuer“ zu tragen kommen können. Beispielsweise können genannt werden:
- In der Folge sinken auch die Überschüsse der Lebensversicherer, sodass aus Sicht von vielen Experten die Lebensversicherung als klassische Rentenversicherung ausgedient hat. Zudem reduzieren sich auch die prognostizierten Ablaufleistungen der bestehenden Versicherungen durch die sinkenden Zinsen erheblich, wodurch die erwartete Rentenhöhe vieler zukünftiger Rentner niedriger ausfallen wird.
- Doch die anhaltende „Niedrigzinsphase“ könnte den Sparern eine weitere, unliebsame Folge bescheren. Nachdem die EZB den Einlagezins, sprich den Zins, zu dem Geschäftsbanken kurzfristig Geld bei der EZB anlegen können, seit Juni 2014 sukzessive auf aktuell -0,5% gesenkt hat, überlegen immer mehr Kreditinstitute diese Negativverzinsung ihrer eigenen Gelder an ihre Kunden weiterzugeben. So berechnen vereinzelte Geldhäuser bereits heute für bestimmte Kunden ein so genanntes „Verwahrentgelt“ für hohe Spareinlagen.
- Das angelegte Kapital wird – bereinigt um die Inflation – von Jahr zu Jahr weniger Wert – auch ohne Negativzinsen. Die normale „Entwertung“ durch eine leichte Inflation kann durch Zinserträge nicht kompensiert werden.
Unser Fazit: Die weitere Zinsentwicklung sowie die Konsequenzen für die Sparer hieraus bleiben kritisch zu beobachten.
Die Folgen einer dauerhaften und anhaltenden Niedrigzinsphase könnten für viele Bürgerinnen und Bürger verheerend sein. Um dauerhaft eine solide Wirtschaft zu erhalten, sollte der Zins wieder das Korrektiv sein, wofür er eigentlich „gedacht“ ist. Auf Dauer kann der Mechanismus von freien Märkten nicht außer Kraft gesetzt werden.